Wettbewerb
Stiftung Bernaville Schwarzenburg

253_08.gif

Alterszentrum Ried Biel

Weiter...

 

Situation, Integration in ortshistorischen Kontext und Architektur
 
Das Wechselspiel von räumlichen Verengungen oder portalartigen Situationen mit breiten, sich zur Landschaft öffnenden Wegen, landwirtschaftlichen und parkähnlichen Räumen oder dörflich wirkenden Plätzen, macht den Ort Ried zu einer Art Weiler im ländlichen Kontext.
 
Der Neubau des Alterszentrums dynamisiert diesen Eindruck, wird allseitig zum raumbildenden Gelenk, bildet das Zentrum des „Weilers“ Ried und macht, je nach Standort, die Sicht auf die umliegenden Gebäude, Wege und Räume frei. Mit der Platzierung des Neubaus an den Paul-Robert-Weg bildet sich aus dem Strassenraum ein zentraler Platz im Ried, wo sich alle Wege des Ortes kreuzen oder wiederum wegführen, in die Stadt oder in die Landschaft. Dieser Raum wird öffentlicher Begegnungsort, der mit der Platzierung des Haupteingangs und der Cafeteria vom Alterszentrum Ried, letzterem einen öffentlicheren, einladenden Charakter gibt. Die Nähe des Neubaus zum Kinderheim „Stern im Ried“ und zum Haus Paul-Robert-Weg 2 ist bewusst gesucht, um auch hier räumliche Verengungen zu schaffen, welche sich auf der Südseite des Neubaus zu einem parkähnlichen, halböffentlichen Hofraum öffnen und so das neue Alterszentrum in Dialog zu den Gebäuden der Betagtenwohnungen stellen.
 
Die Morphologie des Neubaus ergibt sich aus dem Willen, verschiedene Sichtperspektiven für Spaziergänger zu schaffen: Das Objekt ist so geformt, dass, von Westen herkommend, eine Sichtverbindung zum Kinderheim „Stern im Ried“ und zum mit Mauern begleiteten Wegabschnitt auf der Ostseite entsteht. Die Schmalseite des Neubaus im Westen empfängt und lenkt die von der Stadt herkommenden Menschen zu den verschiedenen Eingängen der Betagtenwohnungen und des Alterszentrums. Das Volumen auf der Westseite ist kontextbezogen abgesenkt und bietet einen Gesamtüberblick über alle umliegenden Gebäude. Die Volumina überlagern und verschieben sich, so dass überdachte Außenräume entstehen, welche die Passanten begleiten, sie vor dem Regen schützen und gleichzeitig zum Eintreten einladen. So behauptet die Materialität des „eingeschnittenen“ Erdgeschosses seine öffentliche Funktion durch großzügige Fenster und einer massiven Sitzbank, die diesen Dreh- und Angelpunkt des Rieds beleben. Die Wände biegen sich und begleiten uns nach innen, wo sich der öffentliche Raum mit Restaurant und Cafeteria entfaltet und das Gebäude von einer Seite zur anderen durchquert werden kann und eine direkte Verbindung zwischen der Straße und dem darunter liegenden Park bietet.
 

Aussenräume und Landschaftsarchitektur
 
Wege und Begegnung: Wege und Strassen sind Archetypen öffentlicher, belebter Räume. Die Menschen kommen und gehen, klönen und tratschen, berichten und erzählen. Vom Stadtzentrum kommend zeichnet der Paul-Robert-Weg beim Billhaus beginnend, zu den Betagtenwohnungen (FLOPA), dem Atelier Robert bis zum Kinderheim „Stern im Ried“ ein öffentliches Band durch das Ried.
Unmittelbar nördlich des Neubaus zweigen zudem die Wege zur heilpädagogischen Tagesschule, dem Bauernhof Falbringen, dem Pfadiheim Orion und dem Oberen Ried ab. Das Wegnetz verdichtet sich an diesem Brennpunkt, generiert ein Konzentrat an Öffentlichkeit, Begegnung und Austausch.
 
Jung und Alt: Das neue Gebäude und seine Aussenräume öffnen sich zu Vitalität und Betriebsamkeit des Paul- Robert-Wegs und formen eine lockere Abfolge unterschiedlicher, einladender Orte für Jung und Alt.
Ein Kiesplatz mit zwei Tulpenbäumen bilden das Arrivée der Betagtenwohnungen aus den 1950er Jahren.
Die bestehende Linde markiert die Mitte vom „Weiler“ Ried und ist zugleich Zeichen am Eingangs- und Aufenthaltsbereich des Alterszentrums. Nordöstlich anschliessend verbindet eine neue Treppenanlage und der von Amberbäumen beschattete Platz zum Kinderheim „Stern im Ried“.
 
Wegmauer und „Gebäudesockel“: Mit Moos und Gras bewachsene, aus grob behauenen Kalksteinen gefügte Mauern geben den historischen und geschützten Wegabschnitten gegen Ried-Malewagwald und Bözingen-Leubringen eine poetisch-verwunschene Atmosphäre. Das Motiv wird über die neue Treppenanlage aus schweren, grobfugig verlegten Kalksteinen an den Neubau geführt. Dort übernimmt der eingeschnittene „Gebäudesockel“ aus gestocktem Kalksteinbeton („Ammocret“) das Thema und zeichnet als Bodenbelag zudem den gedeckten Vorplatz des Gebäudes. Die bestehende, wegbegleitende, charaktervolle Mauer findet in der Umarmung des Neubaus einen präzisen Anfang.
 
„Les feuilles d’automne“: Südlich des Neubaus öffnet sich eine halböffentliche, grüne, von einzelnen Bäumen bestandene, offene Parklandschaft mit Wegen, Sitzbänken, und Blumenrabatten. Im Gegensatz zum öffentlichen, nördlichen Strassenraum ist dieser Bereich in erster Linie der Bewohnerschaft des Alterszentrums und der Betagtenwohnungen vorenthalten. Vom Neubau her belebt die Restaurantterrasse diesen vertrauten und familiären Raum. Vis-à-vis wird er vom Kommen und Gehen über die Laubengänge der Betagtenwohnungen belebt.
Die wunderbaren „Herbstblätter“ von Philippe Robert sind Inspiration für die Bepflanzung des Parks. Amber-, Eisen- und Tulpenbäume verwandeln die Aussicht im Herbst in ein buntes Farbenspiel und zeigen überbordende Buntheit und freches Farbenspiel im Spätherbst und symbolisieren Lebensfreude und Kraft auch zum Ende der Lebensspanne. Mit den Tulpen- und Amberbäumen am Paul-Robert-Weg zeigt sich das Thema auch im Strassenraum sichtbar.
 
Schutz und Demenz: Auf dem Dach des westlichen Gebäudeteils liegt der verwunschene und geschützte Garten für an Demenz erkrankte Menschen. Ein Rundweg weitet sich stellenweise zu beschatteten Aufenthaltsbereichen. Das umlaufende Stauden- und Gehölzband bildet Nischen mit langen Bänken und formt abschnittweise Hochbeete. Blütenpracht, Wasserplätschern, Insektensummen, Blumen- und Gewürzdüfte bespielen diesen sinnlichen Ort.

ObjetAlterszentrum Ried Biel
Maître d'ouvrageEinwohnergemeinde Biel
Année2020
CollaborateurLaure Pieren I Gilbert Woern I Dominik Wolf I Hasan Yaman I Cansu Yücel
En coopération avecLandschaftsarchitektur
égü Landschaftsarchitekten, Zürich
253_01_g.gif
253_02_m.gif
253_03_m.gif
253_04_m.gif
253_06.gif
253_05_gb.gif
253_05_k.gif
253_08.gif

Materialisierung
 
Die Arbeit der Künstlerfamilie Robert, insbesondere die von Philippe Robert, hat uns durch das Projekt begleitet, einerseits die „Herbstblätter“ und andererseits das kostbare Werk über Farben und Töne in der Natur. Der Neubau unterscheidet sich zwar vom umgebenden Kontext, als wolle er diesen besser offenbaren, aber er hört nie auf, sich darauf zu beziehen: Es ist ein ständiger Dialog zwischen den Spuren, die das Ried ausmachen und der Zukunft des Ortes, der seine soziale Bedeutung für die Einwohner von Biel und darüber hinaus behält. Auf diese Weise kann ein Werk aus Materialien geschaffen werden, die die Mineralität widerspiegeln, dank des in verschiedenen Schichten verarbeiteten Putzes, welcher der Gebäudehülle Tiefe verleiht. Sie greifen die Spuren und Nuancen auf, die bereits vor Ort vorhanden sind und bieten unterschiedliche Lesarten: Aus der Ferne betrachtet liest man den Neubau als Volumen, nähert man sich ihm, zeigt die Fassade die Endbearbeitung in einer je nach Stockwerk unterschiedlichen Granulometrie. Diese doppelte Lektüre ermöglicht es auch, die Sinne zu variieren, nicht nur die des Sehens, sondern auch die der Berührung der Fassade. So erinnert die Variation der Textur, von unten nach oben, an die verschiedenen zeitlichen, historischen und materiellen Schichten, welche die Bedeutung vom Ried ausmachen und spiegelt auch das Innere des Alterszentrums wider, wo verschiedene Lebenszyklen ineinander greifen und sich treffen, der Bewohner, Besucher und des Pflegepersonals.
 
Der mehrfach beschriebene Kalksteinbeton zieht sich im Gebäudeinneren weiter: Als geschliffener Boden im Erdgeschoss wo er mit den mit Holz verkleideten Wänden kokettiert, und von dort über die Haupttreppe, im gleichen Material, in die mäandrierenden Bodenflächen der Aufenthalts- und Essbereiche und „Korridore“ der Wohngruppen, um dann erst vor den Bewohnerzimmern Halt zu machen. Im Zimmer wird mit einem Holzboden dem Grad der Privatheit Ausdruck geben.

253_09.gif